Thursday October 30th, 2025

Vorgespannter HBV: eine vielversprechende Entwicklung

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Unternehmensvorstellung

Steffen Holzbau ist eines der führenden Holzbauunternehmen in Luxemburg und steht für eine nachhaltige Bauweise, höchste Qualitätsstandards sowie zukunftsweisende Ideen und Projekte. Dank langjähriger Erfahrung und einem engagierten, hochqualifizierten Team realisiert das Unternehmen komplexe Holzbauprojekte für private, gewerbliche und öffentliche Auftraggeber. Dabei gilt Steffen Holzbau als verlässlicher Partner für Architekten, Statiker und Baugesellschaften.

Als innovativer Baudienstleister mit ausgeprägter Engineering-Kompetenz geht Steffen Holzbau weit über den klassischen Holzbau hinaus. Als wichtige Referenzprojekte lassen sich die Nationalbibliothek in Luxemburg oder das Biodiversum in Remerschen, letzteres ausgezeichnet mit Bauherrenpreis der Architektenkammer in Luxembourg, vorzeigen. Ein weiteres Highlight ist der Holzbau des SKYPARK BUSINESS CENTERS am lux-Airport, realisiert von 2022 bis 2024. Mit einem verbauten Holzvolumen von rund 14.156 m³ gehört dieses Projekt zu einer der größten Holzbaubaustellen weltweit.

Ein ebenso bedeutender Meilenstein ist die Entwicklung des Holz-Beton-Verbundträgers, der als innovative Deckenkonstruktion neue Maßstäbe im Hochbau setzt. Erste Konzeptideen entstanden bereits 2017, gefolgt von Versuchsreihen an internationalen und nationalen Hochschulen. 2019 kam der Verbundträger erstmals beim Neubau des Polarium II in Grevenmacher zum Einsatz. Im selben Jahr wurde das Produkt mit dem Innovationspreis der Chambre des Métiers Luxembourg in der Kategorie Produktdesign ausgezeichnet. Nach der Patentanmeldung im Jahr 2020 erhielt Steffen Holzbau 2021 das Patent für Luxemburg, Deutschland, Österreich und die Schweiz. Ebenfalls 2021 wurde der Träger im Projekt “Foyer Olai” erneut erfolgreich eingesetzt.

Seit 2023 arbeitet Steffen Holzbau intensiv an der Weiterentwicklung des Holz-Beton- Verbundträgers. Der Entwicklungsprozess, die technischen Herausforderungen sowie die Auswirkungen auf die Baupraxis und die Perspektiven für die Zukunft werden in den nachfolgenden Abschnitten erläutert.

Einleitung

Die Anforderungen an den mehrgeschossigen Hochbau unterliegen einem kontinuierlichen Wandel, der innovative Bauweisen und konstruktive Lösungen erfordert. Der neu entwickelte vorgespannte Holz-Beton-Verbundträger (HBV-Träger) ist darauf ausgelegt, diesen Anforderungen gerecht zu werden und eine wirtschaftliche sowie nachhaltige Alternative zu bestehenden Bauweisen zu bieten.

Ziel des Projekts ist es, die zahlreichen Vorteile des Holzbaus – insbesondere seine Nachhaltigkeit, schnelle Bauweise und trockene Verarbeitung – mit den Stärken anderer Baustoffe zu kombinieren. Durch den gezielten Einsatz von Stahl und Beton wird die Tragfähigkeit und Funktionalität der Holzbauweise optimiert. Diese hybride Bauweise

ermöglicht einen ressourcenschonenden Materialeinsatz und erfüllt die wachsenden Anforderungen des mehrgeschossigen Hochbaus.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Klimaschutzes bietet der Holzbau eine Möglichkeit zur unmittelbaren CO₂-Reduktion, indem er eine nachwachsende Ressource nutzt. Eine umfassende Berücksichtigung des Klima- und Ressourcenschutzes beinhaltet die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus. Das entwickelte Deckensystem basiert auf modularer Fertigung und ermöglicht eine demontierbare Alternative zu herkömmlichen monolithischen Betonbauweisen.

Die stetige Weiterentwicklung des Holzbaus führt zu immer höheren Bauwerken. Wesentliche Zielsetzungen sind dabei größere Spannweiten und kürzere Bauzeiten. Eine flexible Grundrissgestaltung und die Anpassungsfähigkeit an geänderte Nutzungsanforderungen über den gesamten Lebenszyklus erfordern weitgespannte Deckenkonstruktionen. Der innovative Verbundträger erfüllt diese Anforderungen, indem er große Spannweiten von 9 bis 13 Metern mit wirtschaftlich optimierten Bauteilhöhen realisiert. Die Verwendung einer Vorspannung gewährleistet dabei die Einhaltung der Gebrauchstauglichkeit der Konstruktion. Zudem ermöglicht die Vorfertigung der HBV- Träger eine deutliche Reduzierung der Bauzeit.

Die steigende Relevanz der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) stellt neue Anforderungen an die Bauweise. Um eine effiziente Integration der TGA zu gewährleisten und deren Wartung sowie Anpassung nach Fertigstellung zu ermöglichen, sind durchdachte Konstruktionslösungen erforderlich. Werkseitig integrierte Durchdringungen erleichtern den Bauablauf, da sie frühzeitig in die TGA-Planung einbezogen werden können.

Mit der zunehmenden Urbanisierung wächst der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum in Städten. In diesem Kontext gewinnen Aufstockungen bestehender Gebäude an Bedeutung. Das entwickelte, weitgespannte und leichte Deckensystem eröffnet auch in diesem Bereich neue Möglichkeiten und bietet großes Potenzial für urbane Nachverdichtungen.

Herausforderungen, Technischer Ansatz und Methodik

Herausforderungen

Die Entwicklung eines innovativen Verbundbauteils, bestehend aus verschieden Holzwerkstoffen, Stahlbeton und Spannstahl, stellt eine komplexe technische Herausforderung dar und erfordert interdisziplinäres Wissen zum Materialverhalten und der Fertigungsprozesse unterschiedlicher Bauweisen. Dazu zählen die Disziplinen des Spannbetonbaus, des Holzbaus sowie des Holz-Beton-Verbundbaus.

Ein zentraler Aspekt der Entwicklung ist der Einklang der verschiedenen Materialeigenschaften zu einem hochtragfähigen Verbundbauteil. Insbesondere die aus den verschiedenen Bauweisen resultierenden unterschiedlichen Kriech- und Schwindverformungen über den Lebenszyklus des Bauwerks führen zu hohen inneren Spannungen. Diese können durch geeignete Verbindungstechniken sowie konstruktive Maßnahmen reduziert werden, sodass ein verformungskompatibler Verbundträger entsteht.

Der Verbundträger, der aus sechs Teilquerschnitten besteht, muss statisch nachweisbar sein. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, die normativen Berechnungsansätze der verschiedenen Bauweisen in einem integrierten Bemessungskonzept zu kombinieren, um eine effiziente Berechnung zu gewährleisten. Im Fokus der statischen Berechnung ist auch die präzise Vorhersage der Durchbiegung des Verbundträgers, sowie die damit verbundene exakte Einstellung der Überhöhung durch die Vorspannung.

Eine weitere Herausforderung bei solchen weitgespannten Decken ist das Schwingungsverhalten. Um das Schwingungsverhalten zu begrenzen, ist die richtige Abstimmung des Verhältnisses von Beton zu Holz sowie der erforderlichen Vorspannkraft von Bedeutung. Die Steuerung dieser Parameter hat einen direkten Einfluss auf die Tragfähigkeit des Systems, sodass in einem iterativen Prozess die optimale Abstimmung definiert werden muss.

Da der HBV-Träger vorrangig als Deckensystem im mehrgeschossigen Holzbau eingesetzt wird – speziell als Trennbauteil zwischen zwei Nutzungseinheiten – stellt der Schallschutz eine zentrale konstruktive Herausforderung dar.

Außerdem ist der Fertigungsprozess auf die spezifischen Anforderungen einer hybriden Bauweise anzupassen, um Präzision und Effizienz zu maximieren. Ein zentraler Aspekt hierbei ist die Einstellung der Überhöhung durch die Vorspannung aus ausführungstechnischen Gesichtspunkten. Darüber hinaus ist die Wahl der Betonrezeptur von entscheidender Bedeutung. Der Einsatz von Normalbeton erweist sich in dieser speziellen Anwendung als problematisch, insbesondere im Hinblick auf das Einbringen und die Verdichtung des Betons.

Technischer Ansatz und Methodik

Für die Entwicklung des HBV-Trägers wurde zunächst ein Konstruktionskonzept erstellt. Dieses Konzept sieht einen Holzkasten vor, der durch eine Vorspannung überhöht wird, um den Anforderungen der Gebrauchstauglichkeit gerecht zu werden. Der überhöhte Holzkasten wird anschließend ausbetoniert. Dieses Konzept wurde in ein erstes statisches Modell (Abb. 1) überführt, um Untersuchungen zum Tragverhalten mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchzuführen.

Abb. 1: Parametrisiertes FE-Modell

Für die FE-Modellierung des Holz-Beton-Verbundträgers wurde ein Stabwerkmodell gewählt, welches eine einfache Steuerung der Parameter der Teilquerschnitte und der Verbindungen ermöglicht. Um verschiedene Variationen des HBV-Trägers effizient simulieren zu können und die Einflüsse der Vielzahl an Parametern auf das Tragverhalten untersuchen zu können, wurde mit Hilfe von KI ein Tool zur Parametrisierung und Generierung des FE-Modells entwickelt. Im Hinblick auf eine spätere Bemessung des komplexen Bauteils wurde das Tool im Laufe der Entwicklungen erweitert, sodass die normativen statischen Nachweise der unterschiedlichen Bauteilkomponenten automatisiert geführt und in einem ganzheitlichen statischen Dokument zusammengeführt werden. Basierend auf Parameterstudien am FE-Modell und den damit verbundenen Optimierungsschritten am HBV-Träger wurden erste Prototypen hergestellt und experimentell untersucht.

Mit Hilfe der experimentellen Untersuchungen wurde das reale statische und dynamische Verhalten des Verbundträgers analysiert. Dabei wurden fortlaufend optimierte Entwicklungsstufen des HBV-Trägers in den Laboren der verschiedenen Kooperationspartner, wie der Hochschule Trier, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) und der Universität Luxembourg, experimentell untersucht.

An der Hochschule Trier erfolgten Versuche zur grundsätzlichen Realisierbarkeit der Verbundbauweise. Diese beinhalteten zunächst experimentelle Untersuchungen zur Verbundtechnik zwischen Holz und Beton. Es wurde die Verbundfestigkeit, die Steifigkeit und das Versagensverhalten ermittelt. Darüber hinaus fanden praktische Untersuchungen zur Betonage der Träger sowie Biegeversuche (Abb. 2) an Trägern mit einer Länge von 9 m statt. Es wurde jedoch auch deutlich, dass die Verwendung von Normalbeton zu Schwierigkeiten führt. Trotz eines erheblichen Aufwandes beim Einbringen und Verdichten des Betons kam es im Bereich der Auflager zu Lunkern.

Abb. 2: Versuchsaufbau – 4-Pkt. Biegeversuch HBV-Träger

An der RWTH Aachen wurden Untersuchungen in erweitertem Umfang durchgeführt. Die Versuchskörper wurden durch eine optimierte Auflagerkonsole und die Verwendung von selbstverdichtendem Beton modifiziert, um den bisherigen Ergebnissen Rechnung zu tragen. Ziel der Untersuchungen war die Analyse der Versagensmechanismen, der Bruchlasten und des Vorspannvorgangs zur Einstellung der Überhöhung. Während des Vorspannvorgangs wurde die eintretende Überhöhung des Trägers, die Vorspannkraft inklusive der Spannkraftverluste ermittelt, um Rückschlüsse für die Verformungsberechnungen und den Herstellungsprozess zu gewinnen. Die Versagensmechanismen wurden in einem 4-Punkt-Biegeversuch (Abb. 3) bestimmt. Die aufgenommene Belastung beim Versagen betrug das Sechsfache der bemessungsrelevanten Last im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Der HBV-Träger versagte infolge der Überschreitung der Zugfestigkeit des Brettschichtholz-Untergurtes in der Feldmitte. Aufgrund der Spannglieder führte das Versagen des Untergurtes jedoch nicht zum vollständigen Verlust der Tragfähigkeit, wie es bei einem reinen Holzträger der Fall wäre. Die Versuche an der RWTH Aachen zeigen die erheblichen Tragreserven und das gutmütige Versagensverhalten des Deckensystems.

Abb.3: Versuchsaufbau 4-Pkt. Biegeversuch – RWTH Aachen
Abb. 4: 6-Pkt-Biegeversuch am 13 m langen HBV-Träger an der Universität Luxembourg und erste Eigenfrequenz

An der Universität Luxembourg erfolgten experimentelle Untersuchungen am HBV-Träger mit einer gesteigerten Spannweite von 13 m (Abb. 4). Bei der untersuchten Entwicklungsstufe wurde das Auflagerdetail sowie die Anzahl der Spannglieder optimiert, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern und den Herstellungsprozess zu vereinfachen. Neben dem Trag- und Verformungsverhalten lag der Fokus bei den Untersuchungen auf dem Schwingungsverhalten des Bauteils, die bei solchen Spannweiten eine Herausforderung darstellt. Das Schwingungsverhalten des Trägers wurde mit Hilfe eines Modalhammers und Beschleunigungssensoren untersucht. Dabei lag die Eigenfrequenz des Bauteils bei 6,5 Hz. Das Ergebnis stellt für diese Spannweite und unter Berücksichtigung, dass ein verbessernder Deckenaufbau im Versuch nicht vorhanden war, ein sehr gutes Ergebnis dar. Die Versagensmechanismen konnten beim 6-Punkt- Biegeversuch im Vergleich zu den vorangegangenen Untersuchungen an der RWTH Aachen reproduziert werden. Dieses konstante Versagensverhalten belegt das Sicherheitsniveau des Deckensystems.

In Zusammenarbeit mit der Firma Linder SE wurden verschiedene Fußbodenaufbauten und Unterdecken unter Laborbedingungen untersucht, um deren Einfluss auf die bauakustischen Eigenschaften (Norm-Trittschallpegel und Luftschalldämm-Maß) zu analysieren. Zum Einsatz kamen unter anderem Waben-Trockenschüttung, Leichtestrich sowie verschiedene Abhangdecken und Trittschalldämmplatten. Ziel der Messungen war es, eine fundierte Übersicht über mögliche Aufbauvarianten zu erhalten und optimale Kombinationen für künftige Projekte zu bestimmen.

Die experimentellen Untersuchungen belegen die Leistungsfähigkeit des HBV-Trägers mit einer hohen Steifigkeit, die auf die Verbindungstechnik zurückzuführen ist und einer

enormen Tragfähigkeit in Verbindung mit einem hohen Sicherheitsniveau bei Spanweiten bis zu 13 m. Dabei erfüllt der Träger schallschutztechnische sowie wirtschaftliche Anforderungen. Die Versuchsergebnisse dienten auch zur Überprüfung der Qualität der Simulationsergebnisse und zur Kalibrierung des FE-Modells.

Anwendung und Auswirkungen auf die reale Welt

Konstruktion/Endprodukt

In Abb. 5 ist der Aufbau des HBV-Trägers dargestellt. Ein zentraler Bestandteil ist der Holzkasten, welcher einen Obergurt aus Brettsperrholz sowie Seitenhölzer und einen Untergurt aus Brettschichtholz umfasst. Im Inneren des Trägers befindet sich ein bewehrter, selbstverdichtender Betonkern, der mit einem Spannglied über direkten Verbund gekoppelt ist. Das trapezförmig angeordnete Spannglied wird durch zwei Auflagerstahlteile an den jeweiligen Enden des Trägers befestigt, während zwei Stahlrohre an den Wendepunkten des Spannglieds positioniert sind.

Abb.5: Trägeraufbau (© Steffen Holzbau S.A.)

Die Verbindung der Holzquerschnitte erfolgt mittels Schraubverbindungen, während der Verbund zwischen Holzober- und Untergurt mit dem Betonkern durch Kerven realisiert wird. Zur Fertigung eines Verbundträgers werden zunächst der Obergurt aus Brettsperrholz, die Seitenhölzer und der Untergurt aus Brettschichtholz miteinander

verschraubt. Um das Einbringen der Vorspannkraft zu ermöglichen, wird das Spannglied an beiden Trägerenden durch das Auflagerstahlteil gefädelt und zusätzlich durch eine Vorspannvorrichtung gehalten. Die Vorspannkraft wird anschließend auf den noch nicht ausbetonierten, reinen Holzquerschnitt übertragen. Durch die Vorspannkraft und den Verlauf des Spannglieds stellt sich eine Überhöhung des Holzträgers ein. Die Vorspannvorrichtung wird anschließend entfernt und der überhöhte Träger mit einem selbstverdichtenden Beton ausbetoniert. Die Vorspannkraft wird im ausbetonierten Zustand über das sich im Beton befindende Auflagerstahlteil an den Enden des Spannglieds, den Umlenkrollen an den Wendepunkten und insbesondere über den direkten Verbund mit dem Beton auf den Gesamtquerschnitt übertragen.

Anwendung

Der HBV-Träger wird in mehreren Projekten bereits eingesetzt. Exemplarisch sei hier auf das Bauvorhaben „Polarium II“ verwiesen, dass als Büro- und Ärztehaus die Anforderungen verschiedenster Nutzungen vereint. Das Gebäude besteht aus einem Kellergeschoss, einer Tiefgarage, zwei Vollgeschossen sowie einem Staffelgeschoss. Ein zentraler Aspekt der Planung ist die Flexibilität hinsichtlich zukünftiger Nutzungsänderungen oder Anpassungen an veränderte Unternehmensstrukturen. Diese Anforderungen werden durch die großen Spannweiten und die geringe Durchbiegung des HBV-Trägers erfüllt. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Integration der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) innerhalb der Nutzungseinheiten. Eingriffe oder Erweiterungen der TGA können geschossweise erfolgen, ohne die übrigen Nutzungseinheiten zu beeinträchtigen.

Abb. 6 zeigt die HBV-Träger während der Montage. Bei dem Bauvorhaben kommt der Verbundträger (1) in Kombination mit dem Deltabeam (2) des Herstellers Peikko zum Einsatz. Der Deltabeam dient als Auflager der Deckenelemente und leitet die Lasten über die Außenwände und die Stahlbeton-Verbundstützen (4) in das Untergeschoss weiter. Die Außenwände stellen eine Kombination aus Brettsperrholz (6) und Holzrahmenbau (5) dar. Ziel dieser Hybridkonstruktion ist die Steigerung der Wirtschaftlichkeit des Systems. Eine reine Holzmassivbau- oder Stahlbetonbauweise wäre aufgrund des hohen Materialeinsatzes weder wirtschaftlich noch nachhaltig.

Durch die Verwendung der unterschiedlichen Materialien und insbesondre durch den Einsatz des HBV-Trägers wurde ein Weg gefunden, den komplexen Anforderungen an diesen Bauvorhaben gerecht zu werden

Abb. 6: Einbau des HBV-Trägers beim Projekt „Polarium II“ und TGA im HBV-Träger (© Steffen Holzbau S.A.)

Zukunftsperspektiven und Skalierbarkeit

Der entwickelte HBV-Träger konnte sowohl in den experimentellen Untersuchungen als auch in der Anwendung innerhalb diverser Projekte das Potential als weitgespannte Geschossdecke nachweisen. Trotz des fortgeschrittenen Entwicklungsstandes sind weitere Optimierungen denkbar, welche in einem ersten Schritt den Träger und dessen konstruktive Details betreffen. Übertragen auf das Gesamtbauwerk kann in einem zweiten Schritt der Verbundträger als Teil einer Holzbauweise aufgefasst werden, die gezielt durch weitere Materialien unterstützt wird.

Es ist zu untersuchen, inwiefern alternative Holzwerkstoffe einbezogen werden können, die potenzielle Vorteile hinsichtlich der Tragfähigkeit sowie einer vereinfachten Montage bieten. Im Bereich der Betontechnologie stellt der Einsatz von Recyclingbeton oder Geopolymerbeton eine Möglichkeit dar, die CO₂-Emissionen weiter zu reduzieren. Dabei kommen der Fließfähigkeit und Verdichtbarkeit des Betons besondere Bedeutung zu, um sowohl eine wirtschaftliche Herstellung als auch die Vermeidung von Lunkern sicherzustellen. Während der Bauphase des Referenzobjektes „Polarium II“, erwiesen sich die Durchbrüche innerhalb der Träger als einer der wesentlichen Vorteile des Deckensystems. Um eine Integration der Haustechnik in Zukunft noch flexibler zu gestalten, sollte untersucht werden, inwiefern die Anzahl der Durchbrüche erweitert werden kann.

Wird der HBV-Träger perspektivisch als Bestandteil einer gesamten Verbund- oder Hybridbauweise betrachtet, kann der Beton, welcher zum Verfüllen des Deckensystems ohnehin auf der Baustelle vorhanden ist, auch an anderer Stelle punktuell zum Einsatz kommen. Eine Stärke des Betonbaus besteht darin, mit geringem Aufwand über Anschlussbewehrung biege- und schubsteife Verbindungen herzustellen. Somit könnte eine Verbindung der einzelnen Deckenelemente mit Beton erfolgen, wodurch die gesamte Decke als aussteifende Scheibe genutzt werden könnte. Die Vorteile der

Betonbauweise werden mit diesem System ausgenutzt, ohne den Holzbau als schnelle, leichte und nachhaltige Bauweise einzugrenzen.

Aufgrund der hohen Tragfähigkeit und der großen Spannweiten ist der Einsatz des HBV- Trägers nicht auf den mehrgeschossigen Holzbau beschränkt. Vielmehr ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Bereich des Ingenieurholzbaus. Derzeit befindet sich ein Parkhaus in der Planungsphase, in dem der HBV-Träger verwendet wird. Durch die großen möglichen Spannweiten des Systems kann die Konstruktion des Parkhauses ohne störende Stützen im Bereich der Parkplatzeinfahrten oder entlang der Fahrbahnrandbereiche realisiert werden. Dies führt zu einer optimierten Nutzbarkeit und erhöhten Funktionalität der Stellflächen. Für Parkhäuser, die traditionell in Stahlbeton- oder Stahlbauweise errichtet werden, stellt der HBV-Träger eine emissionsreduzierte Alternative dar, die zu einer signifikanten Reduktion des CO₂-Ausstoßes beiträgt.

Fazit

Die Entwicklung des neuartigen vorgespannten Holz-Beton-Verbundträgers stellt einen bedeutenden Fortschritt im mehrgeschossigen Hochbau dar. Durch die Kombination der Vorteile des Holzbaus mit den Stärken von Stahlbetonbau/Spannbetonbau wird eine ressourcenschonende, wirtschaftliche und nachhaltige Bauweise ermöglicht. Die innovative Konstruktion erfüllt die wachsenden Anforderungen des modernen Holzbaus, indem sie größere Spannweiten, kürzere Bauzeiten, die effiziente Integration der Technischen Gebäudeausrüstung sowie eine hohe Anpassungsfähigkeit über den gesamten Lebenszyklus ermöglicht.

Die Konstruktion wurde im Verlauf der Entwicklungen stetig optimiert und die Leistungsfähigkeit gesteigert. Während die anfängliche Spannweite bei 9 Metern lag, konnten in den jüngsten experimentellen Untersuchungen Spannweiten von bis zu 13 Metern realisiert werden.

Parallel zur Entwicklung und den experimentellen Untersuchungen wurde projektbegleitend ein numerisches Modell des Trägers erstellt. Das durch die experimentellen Ergebnisse validierte FE-Modell kann zur Bemessung des Verbundträgers herangezogen werden. Zur Generierung des FE-Modells und zur Durchführung der statischen Nachweise wurde ein Tool entwickelt, das eine effiziente Berechnung ermöglicht und die Nachweise unterschiedlicher Bauweisen in einem integrierten Bemessungskonzept vereint.

Die Entwicklung des Deckensystems ist bereits weit fortgeschritten auch in Bezug auf eine wirtschaftliche Produktion der HBV-Träger. Dies ermöglicht bereits den Einsatz bei ersten Pilotprojekten. Weitere Bauvorhaben unter Einsatz des HBV-Trägers sind projektiert und unterstreichen den hohen Bedarf dieses Systems.

Referenzen

[1] Lambert, Thomas; Becker, Wieland (2017): Prüfbericht zum Forschungs- und Entwicklungsvertrag: Bau-teilversuche zum unterspannten/vorgespannten Holz-Beton-Verbundträger, Hochschule Trier

[2] Hofmeister, Benno (2019): Statische und dynamische Versuche an Holz-Beton- Verbundträgern mit Vorspannung, Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

[3] Blaß, Hans-Joachim (2020): Gutachtliche Stellungnahme: Vorgespannte Holz-Beton-Verbundträger, Blaß & Eberhart GmbH Ingenieurbüro

[4] Metzner, Stephan (2025): Prüfbericht – Steffen-Holzbau – Holz-Beton- Verbundträger – Messung des Schalldämm-Maßes und des Norm-Trittschallpegels, Ingenieurgesellschaft für innovative Bautechnologien mbH

[5] Schäfer, Markus (2025): Experimental test campaign on two HBV timber concrete composite beams, Universität Luxembourg